Weitere Rechtsentwicklungen:


Auskunftsrechte gegenüber Behörden und in der Öffentlichkeit

Auskunftsrechte des Bürgers gegen den Staat sind in den vergangenen 20 Jahren immer weiter ausgebaut worden. Dies zieht sich vom Informationsfreiheitsgesetz des Bundes 2006 über die DSGVO, Datenschutzgesetzen zum Digitale-Dienste-Gesetz 2024. Das bedeutet allerdings nicht, das Behörden und öffentliche Unternehmen weiterhin Auskünfte seltener verweigern, in der Praxis werden weiter gerne Argumente etwa z.B. "öffentliche Interessen", "Rechte Dritter" oder auch "unverhältnismäßiger Aufwand" genutzt. In einem Fall vor dem OVG Berlin-Brandenburg vom 13. Mai 2025 (Az.: 12 B 14/23) ging es um die Rechte Nutzern der Berliner S-Bahn auf Einsicht in bzw. Herausgabe von Videoaufnahmen. Es stritten die Betreiber-Gesellschaft und, auf eine Beschwerde eines S-Bahnfahrers, die Dienstaufsichtsbehörde der Betreibergesellschaft. VG und OVG haben sich über die Verwertung der Videoaufzeichnungen, Löschung (angeblich alle 48 Stunden!) informiert und rechtlich bewertet. Möglicherweise muss noch das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.


Kapitalanlage Rückabwicklung eines Schneeball-Systems

Kapitalanleger hatten Geld an eine Beteiligungsgesellschaft gezahlt, damit diese sie an eine L-GmbH weiterleitete und damit Gewinne erwirtschaftet würde. L betrieb aber ein "Schneeball-System", ein betrügerisches Geschäftsmodell, bei dem Einnahmen nicht erwirtschaftet, sondern vorgetäuscht werden, indem man Gelder von neuen Teilnehmern als Gewinne dargestellt. Der Fall war verwickelt: Wie üblich flog der Betrug auf, als nicht genügend neue Teilnehmer gefunden werden konnten, und die Beteiligungsgesellschaft fiel in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter verlangte nun von Anlegern Ausschüttungen zurück, weil die Anleger hätten wissen müssen, dass es keine Gewinne waren, alles auf unwirksamen Betrugsgeschäften beruhte. Der BGH aber entschied, dass auch (und wohl vor allem) die vom Insolvenzverwalter vertretene Beteiligungsgesellschaft vom Betrugsmodell wusste, was noch vom Vor-Gericht zu klären ist (Zurückverweisung). Nicht rückforderbar sind Zahlungen, die "in Kenntnis der Nicht-Schuld" erbracht worden sind (§ 814 BGB; Urteil vom 20. März 2025, Az.: IX ZR 141/23).


Wann Faksimile-Bücher-Verkäufe Wuchergeschäfte sind

In einem Fall des OLG Düsseldorf verlangte eine Insolvenzverwalterin von einem Verkäufer von Faksimile-Büchern, die in "persönlichen Gesprächen" zuhause vertrieben worden waren, rund 24.900 Euro zurück, die für 3 Bücher gezahlt worden sind. Der Wert soll laut der Klägerin lediglich 2.800 Euro betragen haben. "Wucher" und damit die Unwirksamkeit eines Vertrages liegt regelmäßig vor, wenn die Leistung mehr als das Doppelte des Verkehrswertes der Gegenleistung beträgt. Das OLG wies hier aber die Klage (bzw. prozessrechtlich korrekt: die Berufung) ab, indem "Primärmarkt" und "Sekundärmarkt" unterschied. Die Klägerin konnte lediglich die Werte der Bücher auf Sekundärmärkten belegen, nicht die Preise der Hersteller der Bücher. Sie hatte offenbar keine Belege und Beweise darüber, zu wie viel der verklagte Verkäufer die Bücher erworben hatte, oder was diese üblicherweise für diese Faksimile-Bücher zahlen (Urteil vom 9. Mai 2025, Az.: 22 U 98/24).


Vorname

Für die Wahl eines Vornamens gelten ein paar Rechtsregeln. Sie dürfen für das Kind nicht beleidigend sein oder es lächerlich machen, der Name darf nicht Befremden oder Anstoß hervorrufen. Marken, Orte und Unternehmensnamen sind auch nicht erlaubt. Nach Verfassungsgerichtsbeschluss vom 5. Dezember 2008 müssen Vornamen auch nicht mehr das Geschlecht erkennen lassen. Das Amtsgericht Darmstadt hat am 3. April 2025 einen Beschluss gefasst, der es einem jungen Menschen, den die Eltern (beim Standesamt) als "Felix" und "männlich" eintragen lassen hatten, gestattete, seinen Vornamen in "Luft Feli" zu ändern und das Geschlechtsmerkmal streichen zu lassen. Schwierigkeiten hatte das Gericht mit der Vorgabe von § 2 SBBG (Selbstbestimmung-Gesetz vom 19.06.2024), wonach der Vorname "dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen" muss. "Luft" und "Feli" seien weder männlich noch weiblich, dann passe es aber zum Geschlecht "divers" (Az.: 50 III 8/25).


Gebrauchtwagen-Kauf

Gebrauchtwagen-Händler müssen Interessenten informieren, wenn Sie einen Unfallwagen verkaufen. Was sonst ungefragt offengelegt werden muss, entscheidet sich danach, ob der Kaufinteressent "nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte". In einem Fall beim LG Lübeck gehörte dazu die gesamte Reparaturhistorie, wozu Katalysator, Kupplung, Rumpfmotor, Kühlmittelpumpe und Austausch Turbolader gehörten. Es gestehe zwar regelmäßig ohne entsprechende Anhaltspunkte keine Pflicht, einen Gebrauchtwagen auf Unfallschäden zu untersuchen und dazu die Reparaturhistorie bei der zentralen Datenbank des Herstellers abzufragen, aber im entschiedenen Fall hatte die Werkstatt des Gebrauchtwagen-Händlers selbst die Reparaturen durchgeführt (Urteil vom 8. Mai 2025 - 3 O 150/21).


Phishing bei Kleinanzeigen

Der Geschädigte hatte über "Kleinanzeigen" Gegenstände zum Verkauf angeboten. Ein vermeintlicher Käufer schickte ihm einen Link, angeblich damit der Käufer darüber den Kaufpreis bezahlen könne. Auf einer (Fake-) Seite mit der Überschrift "Sicher bezahlen" gab der Geschädigte nicht nur seine Kontonummer, sondern auch eine SMS-Tan ein. Der "Käufer" hob damit vom Konto über 2.200 Euro ab. Der Geschädigte verlangte von seiner Bank Ersatz, weil er die Abbuchungen nicht autorisiert hatte. Für einen Geldempfang sei die Eingabe einer SMS-Tan nicht erforderlich gewesen, was der Geschädigte hätte erkennen müssen, urteilte das AG München am 21. Januar 2025 (222 C 15098/24). Ein Schadensersatzanspruch gegen die Bank wurde abgelehnt. Dies ist eine klassische Betrugs-Konstellation.


Arbeitsunfähigkeit, Entgeltfortzahlung

Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall Ansprüche auf Entgeltfortzahlung bis zu 6 Wochen. Der Beweis der Arbeitsunfähigkeit wird grundsätzlich durch AU-Bescheinigungen geführt (§§ 3, 5 EFZG). Atteste ausländischer Ärztinnen und Ärzte müssen erkennen lassen, dass zwischen bloßer Erkrankung und Erkrankung, die zu Arbeitsunfähigkeit führt, unterschieden wird. Die Arbeitsgerichtsbarkeit entwickelt Kriterien, wann der "Beweis" der AU-Bescheinigung vom Arbeitgeber "erschüttert" worden ist. Das Bundesarbeitsgericht hat am 15. Januar 2025 eine tunesische AU-Bescheinigung missachtet, nach einer Gesamtbetrachtung auch anderer Umstände (5 AZR 284/24), das LAG Brandenburg hatte am 5. Juli 2024 eine AU-Bescheinigung abgelehnt, weil u.a. die attestierte Krankheit exakt einen Tag nach Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgte und passgenau die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses abdeckte (12 Sa 1266/23).


Darlehen, sittenwidrige Haftung

Das LG Potsdam hat einen Darlehensvertrag für sittenwidrig und unwirksam gehalten insoweit, als damit nicht nur der Haus-Käufer, sondern auch dessen Eltern in die volle Darlehenshaftung genommen worden waren. Die Grundsätze der "Bürgschafts-Rechtsprechung" gelten auch bei einer Mithaftung der Eltern des Darlehensnehmers. Voraussetzung ist eine krasse finanzielle Überforderung (Urteil vom 12.07.2023 - 8 O 181/22; MDR 2023, 1602; FamRZ 2024, 323)


Nachbarschaftsrecht

Das Amtsgericht Brandenburg a.d.H. hat sich im Februar 2025 mit der Zulässigkeit von Grenzzäunen in unserem Bundesland befasst. Es finden sich viele Ausführungen zu Höhen, Einfriedungen, Hecken, Sichtschutz, Ballfanggitter, sonstige Grenzanlagen, Ästhetik, "Verschattungen" Wurzeln, usw. Behandelt werden viele Rechtsfragen des Nachbarrechtsgesetzes Bbg, Verjährung, vorgeschaltetes Schiedsverfahren (10.02.2025 - 30 C 120/23). Zur Frage, was eine Hecke im Sinne des Nachbarschaftsrechte der Bundesländer ist und wie deren Höhe und die  Höhe von Bäumen und Sträuchern ermittelt wird, hat kürzlich auch der Bundesgerichtshof geurteilt (BGH, 28. März 2025 - V ZR 185/23 und 27. Juni 2025 - V ZR 180/24)

Online-Banking und Internet-Betrug

Wer Opfer von Kriminellen beim Online-Banking oder sonst im Internet geworden ist, läuft oft seinem Geld vergeblich hinterher. Die Fallzahlen steigen, die Gegner sind oft schlau und gut organisiert. Es lohnt sich aber, Ersatzansprüche in verschiedene Richtungen prüfen zu lassen. Gerichte entwickeln das Recht fort. Die eigene Bank (bzw. der "Zahlungsdienstleister") muss beim Betreiben ihres Systems und im konkreten Fall "angemessene Sorgfalt" anwenden, sich möglicherweise ungewöhnliche Überweisungsaufträge vom Kunden extra bestätigen lassen. Der Kunde bzw. das Opfer darf nicht die "im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt haben". (OLG München, Beschluss vom 22. September 2022 - 19 U 2204/22; Kammergericht Berlin, Beschluss vom 4. September 2024 - 4 U 79/23).


Kapitalanlage-Betrüger

Geschädigte Kapitalanleger eines Schneeballsystems, das aus mehreren Gesellschaften besteht, besitzen möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen alle diese Gesellschaften. Das hat der BGH geurteilt (6. März 2025, Az.: III ZR 137/24). Im Fall hatte ein Mann, der das System betrieben hatte, seine "schadensstiftende" Handlung in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer bzw. Vorstand mehrerer Gesellschaften (GmbH, AG) vorgenommen. Diese hafteten als Gesamtschuldner, Geschädigte können daher jede einzelne Gesellschaft auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch nehmen, entschied der BGH.


Haftung für Internet-Geschäfte des Partners/Ehegatten

Eine Frau hatte ihrem Ehemann die Zugangsdaten zu ihrem E-Mail-Account gegeben, den dieser längere Zeit für den Abschluss von Rechtsgeschäften nutzte, unter anderem auch für die Kommunikation mit einer Versicherung. Als es zwischen der Versicherung und der Frau zu einem Rechtsstreit kam, verteidigte sich die Frau unter anderem damit, dass bestimmte Erklärungen nicht von ihr, sondern von ihrem Mann abgegeben worden waren. Das Gericht rechnete ihr die Erklärung zu, aufgrund einer "Anscheinsvollmacht" (OLG Zweibrücken, Urteil vom 15. Januar 2025 - 1 U 20/24; MMR 2025, 399).